Aufgrund des großen Erfolgs von Pristontale gab es für das koreanische Studio Yedang Online grünes Licht für einen Nachfolger. Nach vier Jahren Arbeit ist dieser nun reif, den westlichen Markt zu erobern. Hilfe bekommt Yedang Online dabei vom Publisher Key to Play, einem neuem Onlineportal, für das Pristontale 2 in Europa der erste Titel ist – und man merkt, dass die Jungs sich ordentlich ins Zeug legen.
Um das Spiel konkurrenzfähig zu machen, wurde es grafisch komplett an den europäischen Markt angepasst. Vom Manga-Look des Vorgängers ist nicht mehr viel übrig geblieben, die Unreal-Engine sorgt für eine entsprechend ordentliche Darstellung. Auch inhaltlich wurde das Spiel überarbeitet. Key to Play weiß, dass koreanisches Design hierzulande nicht einfach 1:1 umgesetzt werden kann, und sieht kulturelle Anpassung als eine seiner Hauptaufgaben an. Dementsprechend stand westliches Charakterdesign und der Ausbau der Story bei Pristontale 2 an erster Stelle.
In der Welt von Priston leben drei Stämme: Die aus tapferen Kriegern bestehenden Tempskron, die Morion, zu denen Magier und Priester zählen, und die Sopphetios, die aber in der Beta bislang noch nicht spielbar sind. Alle drei Völker führten jahrhundertelang Krieg untereinander, was der Gott-Dämon Midranda ausnutze. Er bündelte den Hass und erschuf Monsterarmeen.
Als die Fraktionen nach und nach ihre Auseinandersetzungen beilegten und sesshaft wurden, hatte der Dämon natürlich schlechte Karten. Um die Gefechte wieder anzuheizen, schickte er eine Welle aus Terror und Verderben in Form von teuflischen Kreaturen ins Land. Das entwickelte sich allerdings nicht ganz so, wie er sich es vorgestellt hatte. Statt sich gegenseitig zu bekriegen, verbündeten sich die Fraktionen im Kampf gegen die teuflischen Armeen.
Nun terrorisiert Midranda erneut das Land und will sich mit einer Welle aus unvorstellbarem Terror rächen. Damit Priston nicht in tiefer Finsternis versinkt, müsst ihr das zweite Enigma finden – die einzige Waffe, mit der man den Dämon besiegen kann.
Zeit also, sich auf den Weg zu machen. Vorher kommt allerdings die obligatorische Charaktererstellung. Sowohl Tempskron als auch Morion haben weibliche als auch männliche Helden zu bieten, die jedoch nicht die gleiche Karriere verfolgen können. Wollt ihr zum Beispiel einen männlichen Tempskron spielen, startet ihr automatisch als Knight und könnt euch im Spielverlauf entscheiden, ob ihr euch ab Level 10 auf Fighter oder Combatant spezialisieren wollt.
Erstellt ihr eine weibliche Figur, beginnt ihr zunächst als Huntress und könnt später Archer oder Atalanta, eine Art speerwerfende Amazone, umsatteln. Näher erklärt werden die Karrieren bis jetzt allerdings leider nicht. Dafür habt ihr bei der Magierklasse Morion als männlicher Charakter insgesamt gleich vier Karriereoptionen: Paladin, Valiant, Magician oder Conjurer, als weiblicher Charakter könnt ihr zwischen Priestress oder Conjurer wählen.
Im Laufe des Spiels können sich alle Klassen noch weiter spezialisieren, dies funktioniert allerdings erst sehr viel später und wurde nicht von uns getestet. Für was auch immer ihr euch entscheidet: Allzu viele individuelle Einstellungsmöglichkeiten gibt es nicht.
Ihr könnt jeweils aus vier unterschiedlichen Gesichtern, Frisuren, Haut-, Haar- und Augenfarben wählen und dürftet im Spielverlauf des Öfteren auf andere Charaktere treffen, die eurem eigenen verdammt ähnlich sehen. Dies allerdings ist in kostenlosen MMOs durchaus an der Tagesordnung und kann Pristontale 2 nicht angekreidet werden.
Die Minen von Morion
In der Hoffnung, den Gegnern Feuerbälle und andere starke Angriffszauber um die Ohren hauen zu können, starten wir als Morion. Das erste Problem, das sich nach Spielbeginn bietet, ist: Was soll man eigentlich machen? Wir finden uns in Pillai Town wieder, der Heimatstadt der Morion, die hoch über den Wolken liegt und deshalb nur per Teleporter erreichbar ist. Von einem NPC mit ein paar einführenden Worten oder gar einem Tutorial keine Spur.
Also rennen wir von einem NPC zum nächsten, sammeln nach und nach ein paar Quests zusammen und wagen uns dann aus der Stadt. Komischerweise sind selbst die ersten Gegner, eine Art wild gewordenes Kaninchen, die übrigens auf Dauer sehr nervtötende Quietschgeräusche von sich geben, verdächtig stark. Und tatsächlich: Wir haben keine Rüstung an. Die ist zwar im Inventar, man muss sie aber noch anlegen. Ein Hinweis hätte nicht geschadet.
Ansonsten ist das Interface sehr übersichtlich und schnell erlernt. Unten sind zwei Fensterreihen, in die Sprüche und Aktionen gezogen werden können, welche durch Druck auf die Ziffern- oder F-Tasten oder aber per Rechtsklick ausgelöst werden können. Nachdem wir genug Kaninchen das Licht ausgehauen haben, geht’s wieder zurück in die Stadt - Belohnung abholen und die nächste Quest einsammeln. Und wieder raus aus der Stadt, Monster töten. Und wieder zurück. Und wieder mit neuen Quests raus aus Pillai, Monster schlachten oder mit einem NPC außerhalb der Stadt reden. Und so weiter.
Mit der Zeit steigt unser Level und unsere Attacken fügen mehr Schaden zu, während wir gleichzeitig mehr einstecken können. Attributpunkte können wir aber nicht verteilen. Schade eigentlich, denn bei gerade einmal drei anfänglichen Skills, von denen nur zwei zum kämpfen genutzt werden können, hätte zumindest beim Aufleveln ein wenig Abwechslung nicht geschadet. So findet sich allenfalls ab und zu ein Trank zum Heilen der Hitpoints oder Auffüllen der Magiepunkte.
Als Belohnung gibt es nach und nach neue Rüstung oder mehr Power für einen Spruch, die Abwechslung hält sich leider in Grenzen. Man sprintet durch grüne Wiesen und eine Kristallmine und trifft mit der Zeit auf größere Kaninchen, die genauso nervig quietschen. Mit der Zeit finden sich mehr und mehr unterschiedliche Gegner, die Kämpfe werden aber aufgrund des eintönigen Kampfsystems schnell langweilig.
Nervtötend ist auch das ewige Verschnaufen. In einem Kampf mit einem ebenbürtigen Gegner verliert ihr schnell drei Viertel eurer Lebensenergie. Diese regeneriert sich leider nur sehr langsam, sodass euch nichts anderes übrig bleibt, als euch hinzusetzen, da ihr euch so schneller erholt. Bis eure Hitpoints wieder voll sind, dauert es dann bis zu einer halben Minute – nervig. Alternativ könnt ihr einen Regenerationstrank runterstürzen, dieser ist jedoch teuer.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Monster ständig respawnen – ein Szenario sieht dann folgendermaßen aus: Meistens sind zwei verschiedene Gegnerarten in einem Gebiet. Um Quests zu erfüllen, müsst ihr aber meist nur eine davon töten. Teilweise sind die Gebiete jedoch so von Monstern überfüllt, dass ihr zunächst ein paar Gegner, die euch gar nichts nützen, töten und euch danach erholen müsst. Wenn ihr dann gegen den passenden Gegner kämpft, kann es vorkommen, dass ein getöteter Gegner in unmittelbarer Nähe respawnt und euch angreift.
Sterbt ihr dann aufgrund der Übermacht, könnt ihr bis Level zehn ohne Erfahrungsverlust entweder an Ort und Stelle mit der Hälfte eurer Energie wieder auferstehen, oder aber ihr startet im nächsten Dorf. Seid ihr höher als Level zehn, verliert ihr zehn Prozent eurer Erfahrungspunkte.
Bereits bei Level acht fängt das Spiel langsam an, langweilig zu werden. Die Wege werden immer länger, abkürzen oder gar von Wegpunkt zu Wegpunkt springen kann man nicht. Einzige Möglichkeit zum Abkürzen sind Schriftrollen, mit deren Hilfe man sich direkt in die nächste Stadt beamen kann. Ab Level zehn kann man dann eine Karriereoption auswählen und craften lernen. Oder das Kombosystem ausprobieren. Oder herausfinden, was es mit der Seal And Circle oder der Aging Funktion auf sich hat. Sicherlich viele interessante Ideen.
Wir verstehen auch, dass ein MMO den Spieler langsam in die Materie einführen will, statt ihn gleich mit sämtlichen möglichen Aktionen zu erschlagen. Nur warum muss man sich erst zehn lange Level durch das Spiel schlagen und den immer gleichen Abläufen folgen, bis es etwas wirklich Neues gibt?
Auch nach Überschreiten der magischen Level-zehn-Grenze muss man sich sämtliche Informationen selbst zusammensuchen, wird aber dann plötzlich mit neuen Funktionen erschlagen. Besser wäre es gewesen, die Funktionen nach und nach einzuführen. So stehen die betreffenden NPCs im Dorf herum, können euch aber nicht weiterhelfen, weil euer Held das nötige Level noch nicht erreicht hat.
Auch der High-Level-Content in Barcelona sah wenig anders aus: Man hat zwar ein Reittier, mehr Sprüche und kann sicherlich auch auf einige Spezialfeatures zugreifen, die Monster wiederholen sich aber immer noch und rennen ohne Ziel, dafür aber in Massen, in der Gegend herum, als würden sie darauf warten, endlich angegriffen zu werden.
Bei aller Kritik darf man allerdings eins nicht vergessen: Pristontale 2 ist kostenlos und darf deshalb nicht mit dem Spielspaß kostenpflichtiger Titel verglichen werden. Auch hat es durchaus positive Aspekte: Die Grafik kann sich sehen lassen, der Kampf verläuft reibungslos und ist schnell erlernt und auch die Musik fügt sich gut in das Spielgeschehen ein.
Auch viele Funktionen wie das Kombinieren von Sprüchen, das Aufleveln und Spezialisieren von Waffen, das Beschwören von Gefährten, PvP und einige Extras mehr versprechen dringend benötigte Abwechslung. Das Spiel ist zwar erst im Betastadium, merkt man jedoch trotz der geäußerten Kritik, dass Pristontale nicht das erste Spiel von Yedang Online ist.
Wer bereit ist, Zeit zu investieren und die Geduld hat, sich nur anhand der sporadischen Hilfefunktion in die Spielmechanik einzuarbeiten, wird sicherlich viel zu entdecken haben. Hinzu kommt, dass das Spiel problemlos auch auf PCs ohne Highend-Ausrüstung läuft.
Und das vielleicht Wichtigste: Wir haben uns zum Zeitpunkt der Closed Beta in Priston herumgetrieben. Ein MMO lebt aber von den Spielern. Sicherlich wäre das Grinden wesentlich spannender und auch weniger zeitaufwendig, wenn man es zusammen mit einem Freund erledigt.
Man sollte also Pristontale 2 nicht vorschnell als schlechtes Spiel abstempeln, sondern dem Titel einfach noch etwas Zeit geben. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass auch Pristontale 2 seine Fans finden wird, die durchaus Spaß beim Kampf gegen Midrandra haben werden. Im November soll die Open Beta starten – überzeugt euch am besten selbst.
http://de.pristontale2.com/